Der Rundschild

Aussehen und Konstruktion

Nachdem wir einiges über den Schild als Verteidigungswaffe gelesen hatten und vor allem immer auf die schwelende Diskussion trafen, ob die frühmittelalterlichen Schilde gewölbt waren oder nicht, haben wir beschlossen uns einen eigenen Überblick über Form und Aufbau zu verschaffen.

Dabei halfen Aufsätze und Bücher über kontinentale und angelsächsische Schilde des 5.- 10. Jahrhunderts.

Zusammenfassend ergab sich folgendes Bild:

  • Seit dem dritten Jahrhundert hat sich die prinzipielle Form der Rundschilde kaum verändert. Auch die Konstruktion war die Gleiche. Der Rundschild war aus Planken zusammengeleimt, meist mit Leder überzogen mit einer durchschnittlichen Größe von 80 cm bis 105 cm. In der Mitte war ein Loch ausgespart um die Schildfessel aufzunehmen. Zum Schutz der Hand war diese Öffnung auf der Außenseite mit einem metallenen Schildbuckel bedeckt. Metall oder Leder wurde auch benutzt, um dem Schildrand zu verstärken.
  • Die Schilde waren nicht gewölbt. Einzig in der horizontalen Ebene kann es auf Grund der Konstruktion zu einer konvexen Biegung gekommen sein.

Einzelne Schildbestandteile

Die einzelnen Elemente eines Schildes
Abb.1 Die einzelnen Elemente eines Schildes

Schildblatt

Form

Die Form des Schildes, und somit des Schildblattes, war rund. Im Querschnitt war es flach, nicht gewölbt, wenn auch bildliche Darstellungen und Funde von Schildbuckeln und Schildfesseln diese Vermutung zulassen. Möglicherweise gab es eine leichte Biegung in horizontaler Ebene, die auf Grund der Konstruktion aus verleimten Planken entstand. Diese Biegung konnte im Kampf von Vorteil sein, da sie die gegnerische Waffe vom Körper ablenkt. Eine vertikale Wölbung würde dagegen ein Schwert gegen Kopf oder Beine ablenken.

Der Durchmesser des Schildblattes war nicht standartisiert. Er war der Kampfweise und der Größe des Kämpfers angepasst. Durch Funde, bei denen sich Durchmesser rekonstruieren ließ, ergaben sich Maße zwischen 80cm und 105cm.

Zentral in der Mitte (mit Ausnahmen) befand sich die Aussparung für die Hand und die Schildfessel. Die Aussparung konnte rund, rund mit Einschnürung in der Mitte oder D-förmig sein. Es gibt auch Funde, bei denen bestand die Aussparung aus zwei Löchern. Dadurch war der Schildgriff integriert mit dem Schildblatt.

Verschiedene Formen der Grifflöcher
Abb.2 Verschiedene Formen der Grifflöcher

Material

Das Grundmaterial des Schildblattes war Holz, wobei nicht eine Holzart zum Bau bevozugt wurde. Funde zeigen, dass Linde, Pappel, Weide, Erle, Esche, Ahorn, Buche und Birke verwendet wurden. Allen Hölzern ist gemeinsam, dass sie ein geringes spezifisches Gewicht haben und auf Grund ihrer Holzstruktur nicht leicht splittern. Als Ausnahme fand sich auch ein Schildrest aus Eiche, bei dem diese Aussage natürlich nicht zutrifft.

Zur zusätzlichen Stabilisierung war das Schildblatt innen, außen oder innen und außen mit Leder bezogen. Dabei handelte es sich um pflanzlich gegerbtes Rindsleder, Cuir Bouilli oder ev. Rohleder. Es gibt auch Hinweise von Stoff als Bezugsmaterial.

In wieweit Holz und Leder verziert waren, lässt sich meist nicht nachweisen, da in vielen Fällen nur die Dekorationsteile aus Metall erhalten geblieben sind. Mögliche Dekorationen konntenn durch färben, bemalen, prägen oder Ziernähte entstehen.

Konstruktion

Das Schildblatt war aus flach oder tangential aus dem Baumstamm gesägten/geschlagenen Planken zusammengesetzt. Für die Anzahl der verwendeten Planken gab es keine Regel. Mindestens bestand es aus drei Stück. Alle Planken verliefen in gleicher Faserichtung - in Längsrichtung. In den meissten Fällen war die Dicke der Planken unter 1cm (z.B. Oberflacht 0,7cm). Die Schildfessel war quer zur Faserrichtung angebracht.

Die Planken waren Stoß an Stoß verleimt. Einen Nachweis von speerholzartig verleimtem Holz, wie es die Römer verwandten, gibt es nicht. Archäologisch ist noch nicht nachgewiesen, ob zur zusätzlichen Stabilisierung Dübel, Nut-Feder-Konstruktionen oder Querstäbe aus Holz verwendet wurde. Metallteile, die die Planken zusätzlich zusammenhalten, wurden nicht gefunden, außer man interpretiert die Befestigung der langen Schildfesseln in dieser Weise. Auf Grund der Dünne der Planken erscheint eine Benutzung von Dübeln oder Nut-Feder-Konstruktionen allein ohne zusätzliche Verleimung unwahrscheinlich, da dies die Planken noch dünner macht. Dagegen erhöht ein aufgeleimter Lederbezug die Stabilität des Schildes.

Schildumrandung

Die Umrandung eines Schildes bestand entweder aus Leder, Rohhaut, Cuir Bouilli oder Metall. Im letzteren Fall bestand es entweder Eisen oder eine Kupferlegierung.

Lederumrandungen waren, wie auf Abbildungen zu sehen, eventuell verziehrt. Archäologisch gibt es keine Belege dafür. In einigen Fällen wurde das Leder des Schildblattes über den Rand gezogen. Die Umrandung war vernäht (wie beim Gokstad Fund) und eventuell verklebt. Bei der Rekonstruktion des Schildes von Rullstorf geht man von einem genagelten Rand aus.

Handelte es sich um eine Metallumrandung, so war die Verzierung entweder geprägt oder gepunzt. Die Umrandung hatte die Form eines U-Profils oder Streifens. Diese waren angenietet oder über Metallclips befestigt (wie in Sutton Hoo). Auch nur Metallclips als Umrandung sind bekannt.

Ob es auch Schilde ohne Randverstärkung gab, ist nicht sicher nachzuweisen.

Schildbuckel

Der Schildbuckel war aus Eisen getrieben und auf das Schildblatt genietet. Die Form des Buckels war zeitlich und örtlich unterschiedlich. Im sächsischenn Raum des 7ten und 8ten Jahrhunderts ist die Form der Halbkugel vorherrschend. Einige Schildbuckel zeigen an Hand von Reparaturspuren, das sie mehrfach verwendet wurden.

Der Rand des Schildbuckels war im gestreckten Winkel and der Buckelwölbung angesetzt, in einer Abeichung von 5 bis 12 Grad vom rechten Winkel. Dies ist kein Zeichen dafür, dass der Buckel auf einem gewölbten Schild befestigt war, sondern diente zur sicheren Befestigung auf dem Schildblatt. Durch den Winkel arbeitet der genietete Rand wie eine Feder gegen das Schildblatt.

Der Buckel wurde durch Eisennieten, mit Unterlegscheiben auf der Rückseite, am Schildblatt befestigt – meist mit fünf Stück. Die Köpfe der Nieten waren teilweise versilbert oder vergoldet. Eine andere Methode der Befestigung war die Verwendung von Eisennägel, die auf der Rückseite des Schildes umgeschlagen wurden.

Schildbuckel und Schildfessel im Querschnitt
Abb.3 Schildbuckel und Schildfessel im Querschnitt

Schildfessel (Griff)

Die Schildfessel bestand aus zwei Teilen, dem Griff under der eigentlichen Fessel. Die Fessel bestand aus Eisen und konnte unterschiedliche Form und Länge haben. Die kurzen Fesseln überdeckten gerade das Griffloch, die Langen können konnten bis zu 50cm lang sein. Die kurzen Fesseln waren von an den Enden gerade oder verbreitert, um dort Platz für die Nieten zu bieten. Sie waren mit zwei oder vier Nieten am Schildblatt befestigt. Bei längeren Fesseln wurden auch mehr Nieten verwand. Soweit archäologisch zu erkennen ist, wurde die Schildfessel vor dem Buckel auf dem Schild befestigt.

Im Bereich des Griffloches waren die Seiten der Schildfessel hochgebogen, um den eigentlichen Griff zu umfassen. Dieser bestand entweder aus Holz, Knochen oder Stoff und konnte, zum besseren Halt, mit Stoff- oder Lederstreifen umwickelt sein. Der Griff befand sich in einer Ebene mit dem Schildblatt und konnte sogar aus der Mittelplanke herausgearbeitet sein. Der Griff war im rechten Winkel zur Maserung der Mittelplanke und meist nicht mittig zum Griffloch angebracht. Letzteres ermöglichte eine bessere Trageweise.

Tragweise

Das Schild wurde mit einer Hand an der Schildfessel getragen. Es gibt keine Nachweise für zusätzliche Riemen zur Hand- oder Armtragweise.

Abgesehen davon zeigen sich archäologisch und in Manuskriptdarstellungen mehrere Tragweisen. Die Schilde wurden mit einem Riemen geschultert oder auf dem Rücken getragen. Der Riemen, der verknotet oder mit einer Schnalle geschlossen sein konnte, wurde entweder durch die Schildfessel und/oder “Ösen” gezogen. Diese “Ösen” waren an der Nähe des Schildrandes angebracht und bestanden entweder aus festgenieteten Metallstreifen, die in der Mitte geknickt waren oder aus komplexeren Lösungen von vernieteten Grundplatte auf denen Bögen oder Ringen befestigt waren. Das dabei verwendete Material war Eisen oder Bronze.

Archäologische Fundsituation

Leider gibt es archäologisch nur wenige komplett erhaltene Funde. Meist wurden nur die Metallreste gefunden mit den angelagerten Holz-, Leder- und Stoffresten.

Diese mehr oder weniger vollständigen Schilde sind uns bekannt:

(Abb. 4) Dura Europos, Zeitstellung: 3. Jh., Größe: 107 cm x 95 cm

(Abb. 5) Illerup Ådal (Moordepot 3 Schilde), Zeitstellung: 3. Jh., Größe: 96 cm bis 104,4 cm

(Abb. 6) Thorsberg (Moordepot), Zeitstellung: 3. Jh., Größe: 102 cm

(Abb. 7) Gommern (Grabhügel), Zeitstellunhg: 3. Jh., Größe: 130 cm

Valsgard (Bootsgrab mit 7 Schilden); Zeitstellunhg: 6.-7. Jh.; Größe: 84 cm bis 110 cm

Größe wurde anhand der Fundlage der Beschläge berechnet.

(Abb. 8) Vendel (Bootsgrab), Zeitstellung: 6. -7. Jh., Größe: zwischen 84 cm und 115 cm

(Abb. 9) Sutton Hoo (Bootsgrab); Zeitstellung: 7. Jh.; Größe: zwischen 83 cm und 96 cm

(Abb. 10) Oberflacht Zeitstellung: 6. - 7. Jh., Größe: 81 cm

(Abb. 11) Rullstorf (Gräberfeld), Zeitstellung: 7. - 8. Jh., Größe: ???

(Abb. 12) Gokstad (Bootsgrab), Zeitstellung: 9. Jh.

Literatur- und Quellenangabe:
Stephenson, I.P. - The Anglo- Saxon Shield, 2002

Bildquelle:
Abb.4: Stephenson, I.P.- The Anglo-Saxon Shield, 2002, Bild 17 und 18.
Abb.5: Illerup Adal - ein archäologischer Zauberspiegel, Fotos und Grafiken, www.illerup.dk
Abb.6: ©Scotelingo
Abb.7: Krapp, Karin - Die Alamannen, Krieger-Siedler-frühe Christen, 2007 (Seite 21)
Abb.8: en.wikipedia.org
Abb.9: ©British Museum, London - Lizenznehmer: Scotelingo
Abb.10: Krapp, Karin - Die Alamannen, Krieger-Siedler-frühe Christen, 2007 (Seite 91)
Abb.11: Gebers, Wilhelm - Auf dem Weg nach Walhall, 2004 (Abb. 99, Seite 91)
Abb.12: Stephenson, I.P.- The Anglo-Saxon Shield, 2002, Bild 19