Unser Tagebuch
Eliten des frühen Mittelalters in Nordwest-Deutschland
Vortrag vom Verein RAUZWI - Lebendige Archäologie Mittelweser e.V. in der Kulturscheune Liebenau
Zu diesem Vortrag konnte der Verein RAUZWI - Lebendige Archäologie Mittelweser e. V. Frau Dr. Vera Brieske als Referentin gewinnen. Bei der Begrüßungsrede durch die Vereinsvorsitzende Gundula Tessendorff gab diese einen umfangreichen Einblick in den akademischen Werdegang von Frau Dr. Brieske. Sie führte somit allen Anwesenden vor Augen, dass wir es hier mit einer echten Koryphäe aus dem Fachbereich Frühmittelalter zu tun haben. Sie ist heute Geschäftsführerin der Altertumskommission für Westfalen beim LWL (Landschaftsverband Westfalen-Lippe).
Auch der Bezug zum Gräberfeld Liebenau/ Steyerberg war klar gegeben. Schließlich hatte sie ihre Doktorarbeit über "Schmuck und Trachtbestandteile des Gräberfeldes von Liebenau" geschrieben. Diese ist in der Reihe „Studien zur Sachsenforschung“ als Teil 5,6 publiziert.
Da wir dieses Buch natürlich kennen und es auch bei uns im Bücherschrank steht, waren wir sehr neugierig darauf, Frau Dr. Brieske einmal persönlich kennenzulernen. Unsere Erwartungen zum Vortragsthema „Eliten des Frühmittelalters“ ging eigentlich mehr in Richtung der bekannten sächsischen „Elitegräber“. Um so überraschter waren wir, als Frau Dr. Brieske auch bei diesem Thema, das altsächsische Gräberfeld Liebenau/ Steyerberg in den Vordergrund stellte.
Kennzeichnend für sogenannte „Elitegräber“ ist eine reichhaltige Beigabenausstattung, bei der auch oft Edelmetalle, wie Gold und vergoldetes Silber sowie Bergkristall enthalten sind. Auch im Liebenauer Fundkomplex wurden entsprechende Fragmente davon gefunden. Aufgrund der Vielzahl von Brandbestattungen leider oft nur in der Größe eines Fingernagels. Auf einer Karte eingezeichnet, fällt auf, dass sich diese Funde über das gesamte Gräberfeld erstrecken und sich nicht auf bestimmte Einzelgräber beziehen.
Zwei in Liebenau gefundene Goldfragmente weisen Ähnlichkeiten mit dem Halsring aus einem Hortfund bei Sievern (Landkreis Cuxhaven) auf. Dieser wurde hier zusammen mit fünf Goldmünzen sowie einem Brakteaten - vermutlich als Votivgabe – vergraben. Derartige Halsringe, die sowohl im skandinavischen, als auch im römischen Bereich vorkommen, sind auch als Anführerkennzeichen anzusehen.
Im weiteren Verlauf des Vortrages wurden weitere „Schatzfunde“ wie der Hortfund von Lengerich und der Fund von drei Goldhalsringen und römischen Goldmünzen aus Dortmund thematisiert. Hier ist es Frau Dr. Brieske hervorragend gelungen einen Bogen vom Liebenauer Gräberfeld zu diesen Fundplätzen zu schlagen.
An diesem Vortrag ging die aktuelle Ausstellung „SAXONES“ nicht spurlos vorbei. Eine Illustration von Kevin Wilson, die beim Vortrag in Schladen thematisiert wurde, kam ebenfalls zur Sprache. Auch hier ging es um die abgebildeten Fibeln, die in diesen Formen auch in Liebenau/ Steyerberg gefunden wurden. Die Referentin wies bei den Fibeln auf die jeweilige Ornamentik hin, die sich in vielen Bereichen wiederholt. So sind die dort aufgebrachten Spiralen auch auf zwei vergoldeten Schalenfibeln sowie einer vergoldeten Silberfibel aus dem Grabinventar der „Prinzessin von Issendorf“(Grab 3532) zu finden.
Eine weitere wichtige Ornamentik stellt die Schlange dar. Sie steht für Wiedergeburt und Erneuerung (durch die Häutung) sowie für eine Bedrohung gegen Feinde. Sie kommt jedoch nicht nur in der Ornamentik vor, sondern auch in anderen Bereichen. So ist die Halskette von Isenbüttel mit ihrer Schlangenform wohl der bedeutendste frühmittelalterliche Fund in Norddeutschland.
Ein besonderes Merkmal von sogenannten Adels- oder Elitegräbern ist die Beigabe von Pferden, die dem Herren in den Tod folgen dürfen. Erinnert sei hier an den fränkischen König Childerich, dem eine große Anzahl von Pferden mitgegeben wurde. Diese Sitte tauchte zunächst im thüringischen Bereich auf und verbreitete sich offensichtlich immer weiter. Tatsächlich hatte Childerich eine thüringische Frau.
Leider gibt es in Liebenau/ Steyerberg kein besonders herausragendes Grab, dass die moderne Wissenschaft heute als „Elitegrab“ bezeichnen würde. Trotzdem konnte Frau Dr. Brieske immer wieder Parallelen zu den bekannten Grablegen Beckum II, Beckum I, Hiddestorf, Wünnenberg- Fürstenberg und auch Dortmund- Asseln ziehen.
Wir können aber sagen, dass es in Liebenau entsprechende Funde gegeben hat und das die damalige Liebenauer Gesellschaft schon eine wichtige Rolle gespielt haben muss.
Da der Eintritt frei und offen für alle Interessierte war, war es etwas schade, dass nur knapp 25 Vereinsmitglieder und interessierte Bürger der Einladung in die Kulturscheune gefolgt sind. Für uns hatte sich die Fahrt nach Liebenau auf jeden Fall gelohnt.